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»Boys On The Side«, US 1995 [AIDS im Film #3]

Am 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag. Deswegen veröffentliche ich die ganze Woche über Filme, die sich mit HIV/AIDS auseinandersetzen. Heute geht es um den Film »Boys on the Side« von 1996, der zu den ersten Filmen gehört, die HIV und AIDS außerhalb des »schwulen Milieus« verortet haben.

On the Road

Dass es sich bei HIV/AIDS um keinen Virus handelt, der lediglich Homosexuelle betrifft, stellte sich sehr früh – noch im ersten Jahr der »AIDS-Krise« – heraus. In der allgemeinen Wahrnehmung hielt sich das Bild der »Schwulenseuche« trotzdem hartnäckig. Eine Unterscheidung wurde in seltenen Fällen zwischen »unschuldigen« (Kinder und Erwachsene, die sich an Blutkonserven anstecken und Frauen bisexueller Männer) und »selbstverschuldeten« Opfern (Männer die mit Männern sexuell verkehrten und Drogenabhängige, die sich an Spritzen ansteckten) gemacht. Als Fernsehfilm ließ sich das Bild des angesteckten Kindes besonders melodramatisch ausschlachten. Abgesehen davon galt die mediale Repräsentation aber weiterhin überwiegend homosexuellen Männern, die sich innerhalb der Schwulenszene angesteckt hatten. Einer der ersten Filme, in dem das nicht so ist, ist »Boys on the Side«.

Der Film beginnt mit einem erfolglosen Konzert von Jane, einer lesbischen Woman of Color, gespielt von Whoopi Goldberg. Weil es für sie in New York City nicht gut läuft, plant sie einen Trip Richtung Westen, auf der Suche nach ihrer Bestimmung. Über eine Zeitungsannonce trifft sie Robin, gespielt von Mary Louise Parker (die bereits eine Rolle in »Longtime Companion« hatte). Das ungleiche Paar (Jane nennt die „The Way We Were“ und die Carpenters liebende Robin „the whitest woman on the face of the earth“), das der Zufall zusammenbrachte, begibt sich also auf eine lange Autofahrt quer durch die USA. Ein Zwischenstopp wird in Pittsburgh eingelegt, wo  Jane ihre Freundin Holly, von Drew Barrymore gespielt, besuchen will. Dabei werden Jane und Robin Zeuginnen der von Gewalt und Missbrauch geprägten Beziehung, in der Holly mit ihrem Freund Nick lebt. Kurzerhand fesseln die drei Frauen Nick an einen Sessel und führen die Reise zu Dritt fort. Dass es endgültig kein zurück mehr gibt stellen sie dann fest, als sie in der Zeitung auf einen Artikel darüber stoßen, dass Nick tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde. 

Weiblich, weiße Mittelschicht, HIV-positiv.

Die drei sehr verschiedenen Frauen wachsen über den Verlauf des Films zu einer Gruppe enger Freundinnen zusammen. Unvermeidbar (für diese Rubrik jedenfalls) hält dieses Glück nicht lange an. Robin, die von Beginn der Fahrt immer wieder kreidebleich aus Raststätten herausstolpert, bricht bei einem solchen Zwischenstopp zusammen und offenbart den Freundinnen ihren positiven HIV Status. Der Virus wird dort gezeigt, wo es zu dieser Zeit gesellschaftlich wenig erwartet wurde – bei einer weißen Frau, Mittelschicht, aus »gutem Hause«. Um ihre Freundin weiter zu unterstützen, entschließen Jane und Holly vorerst in Arizona zu verbleiben, solange Robins Zustand eine Weiterreise nicht zulässt.

»Boys on the Side« ist gerade deswegen so spannend, da hier – zumindest streckenweise (no pun intended) – Roadmovie und Female Empowerement mit dem Kampf gegen den tödlichen Virus verknüpft wird. Es wird aber auch ein Stück Zeitgeschichte eingefangen. So endete die damalige Kritik der New York Times zum Film: »‘I just want things to be the way they used to be!‘ he [ein Liebhaber von Robin] exclaims, upon being confronted with the realities of AIDS-era sex and love. ‚Boys on the Side‘ understands that thought, while also recognizing that the world will never be the same«¹.

»Boys on the Side« hat den fragwürdigen deutschen Verleihtitel »Kaffee, Milch und Zucker« verpasst bekommen. Der Film ist auf DVD erschienen und ist für alle, die ein Amazon-Prime Abo haben derzeit verfügbar

Ich habe mir zur Aufgabe gemacht die ganze Woche über Filme zu schreiben, die sich mit HIV und AIDS auseinandersetzen. Dabei habe ich bereits über den allerersten fiktionalen Spielfilm zu der Thematik und über den ersten Film, der die Pandemie versucht hat in etwas größerem Rahmen zu kontextualisieren, geschrieben. Morgen springe ich nach Österreich; 1993 ließ Dokumentarfilmer Manfred Neuwirth zusammen mit Walter Hiller in »Vom Leben Lieben Sterben« Betroffene zu Wort kommen, die er 20 Jahre später 2013 noch einmal besuchte und befragte.   

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