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Heterophobie?

Heterophobie? Nein. Also ich bin nicht heterophob. Wirklich nicht! Ich kann gar nicht heterophob sein. Viele meiner besten Freunde sind heterosexuell! Meine Eltern sind beide heterosexuell!

Spaß beiseite. Ich habe zuletzt mein Verhältnis zu heterosexuellen Mitmenschen genauer unter die Lupe genommen. Denn vor ein paar Tagen hatte ich tatsächlich eine Epihanie. Auslöser meiner Gedanken war, dass ich homophob quasi-angepöbelt worden bin.

Das ist mir nicht zum ersten Mal passiert, voraussichtlich auch nicht zum letzten Mal  und -so schiach sowas an sich ist- es erschüttert mich jetzt auch in der Regel nicht in meinen Grundfesten. Diesmal war das anders, denn ich begriff, dass dies einer von vielen Momenten war, die bei mir eine tiefgreifende Haltung etabliert hatten: Eine Skepsis gegenüber cis-heterosexuellen Männern. Ich kam nicht umhin mir die Frage zu stellen:

Lässt sich mein Verhältnis zu heterosexuellen Männern als  »Heterophobie« bezeichnen?

Es begab sich an einem Tag der schön sonnig war. Nicht so wahnsinnig heiß, wie wir es in Wien jetzt gerade erleben, sondern wirklich angenehm warm. Leider hatte ich noch zu viele Aufgaben zu erledigen, um mir meine Zeit auf der Donauinsel schön zu machen, also hatte ich mich mit einer Freundin im Café das Möbel verabredet. Die Idee: Nicht vom inneren Trieb des Prokrastinierens überrollt werden, den gesamten Vormittag in den Sozialen Medien zu verplempern. Stattdessen: Sich im Café gegenseitig zum Lernen, Schreiben, Arbeiten zu motivieren.

Man zieht ja manchmal Menschen an, die einem letzten Endes nicht ganz unähnlich sind. In diesem Fall äußerte sich das darin, dass ich zwar zu spät kam, besagte Freundin jedoch selbst nochmal eine ganze Ecke später dran war. Weil das Wetter aber ja gut war, entschied ich mich ein paar Meter vom Café entfernt im Freien zu warten.

Als ich dort so stand kam plötzlich eine Gruppe von Schulkindern an mir vorbei. Ob ihr lauter Ausspruch wirklich auf mich gemünzt war, weil ich mit enganliegender Hose und riesigem Schal (weil erkältet) vielleicht nicht wie der langweilige Durchschnittshetero aussah? Eine zweite Option wäre, dass es als Beleidigung gegen den eigenen Freund in der Gruppe gemeint war – was aber ja auch nicht wesentlich besser wäre? Jedenfalls sagte der eine Junge im Vorbeigehen laut:  »SO SCHWUUUUL OIDA, SOOO SCHWUUUL«.

So weit so doof. Nun ist es nicht so, dass ich das Handeln und Sagen einiger gleich auf eine gesamte Menschengruppe projiziere (was ja für den Begriff »Heterophobie« am stimmigsten wäre). Was mir wenig später aufging reichte jedoch viel weiter. Es ließ mich sehr grundsätzlich mein Verhältnis zu cis-heterosexuellen Männern reflektieren.

Es war nicht das erste Mal, dass mir eigene Vorbehalte gegen cis-heterosexuelle Männer aufgefallen sind. Diese Vorbehalte hatten sich nie im Umgang mit jenen cis-heterosexuellen Männern gezeigt, die ich bereits kannte, sondern vor allem dann, wenn ich neue kennenlernte. Zum Beispiel, wenn mir eine Freundin ihren neuen Partner vorstellte. Dabei bemühte ich mich natürlich stets freundlich zu sein; Freundlich und in keinster Weise abweisend, aber immer mal wieder auch sehr eingeschüchtert und verkrampft. So als müsste ich überspielen, dass mir die Anwesenheit cis-heterosexueller Männer irgendwie unangenehm ist.

Eine erste These, die ich dazu einmal aufgestellt hatte: Meine Unsicherheit sei eher eine Unsicherheit darüber, ob nicht mein cis-heterosexuelles Gegenüber Unwohlsein mit meinem Schwulsein haben könnte. Und ich glaube auch, dass diese These stimmt. Denn ja, das ist eine Frage, die ich mir bei einem solchen ersten Treffen stelle. Wenn cis-Heterosexuelle zum ersten Mal (wissentlich) mit schwulen Männern zu tun haben, dann sind sie manchmal verunsichert, wie sie umzugehen haben. Nur war das eben nur ein Teil der Antwort, woher mein -polemisch als »Heterophobie« bezeichnetes- schwieriges Verhältnis zu Männern stammt. Hier kommt die Epiphanie ins Spiel, die da besagte: Dieser junge Mann, der sich homophob äußert; das ist die Vergangenheit beinahe aller cis-heterosexuellen Männer.

Meiner Erfahrung nach ist der Großteil der cis-heterosexuellen Männer meiner »Generation« nicht wirklich vordergründig homophob. Man hat zumeist die Phase ‚ich muss mich möglichst hypermaskulin und homophob verhalten, um meine Heterosexualität zu beweisen‚ bereits hinter sich gelassen. Aber das ist eben der Ursprung meines »Problems«. Meiner Erfahrungen nach hatten sie fast alle diese Phase.

Das Mobbing des schwulen Mitschülers, schwul und Schwuchtel als selbstverständliche Schimpfworte und all das eklige Gerede, was man als »locker room talk« tatsächlich in der Umkleide mitbekommen hat. Wir haben das fast alle so in unserer Schulzeit erlebt und wir wissen alle darum, dass die Lage noch immer nicht gut ist. Das Homophobie noch immer ein großes Probleme an Schulen ist. 

Selbst wenn die cis-heterosexuellen Männer ihr ekliges Verhalten bereits hinter sich gelassen haben, so bedeutet mein Wissen darum, dass sie allgemein jedoch eine (beiläufige/mitläufertumhafte bis aktiv mobbende) homophobe Phase hatten, dass ich unterbewusst eine »Bringschuld« als gerechtfertigt ansehe. Na schön, du wirkst jetzt nicht gerade wie ein Schwulenhasser, aber du warst es sicher mal. So wie alle anderen auch. Dass du jetzt keiner bist, dass beweise mir erst einmal.

Das kann man unfair finden. Man kann einwenden, dass nicht jedweder cis-heterosexueller Mann wirklich in seiner Kindheit und Jugend zwangsweise ein schwulenhassendes Subjekt gewesen ist. Aber eben alle, mit denen ich aufgewachsen bin. Mal mehr, mal weniger intensiv; irgendwann; mal mehr, mal weniger lang. Homophobie ist gesellschaftlich viel stärker verankert, als viele Menschen das wahrhaben wollen.

Das Wort »Heterophobie« ist definitiv polemisch gewählt. Auch weil der Vergleich zu anderen »Phobien« so sehr hinkt. Diese »Heterophobie« verhält sich zu Homophobie genau so, wie Rassismus zu »Reverse Racism« oder Sexismus zu »Sexismus gegen Männer«. Natürlich kann in Theorie und Praxis eine Art von Diskriminierung durch Einzelpersonen erfolgen, aber sie lässt sich nicht mit einer strukturellen und/oder institutionalisierten Diskriminierung gleichsetzen.

Die semi-lustigen Forderungen heterosexueller Clowns, die eine »Straight Pride« veranstalten wollen, machen das ja auch immer wieder deutlich. Man möge das Anliegen wieder an uns queere Menschen herantragen, wenn man Länder vorweisen kann, in denen Heterosexuelle aufgrund ihrer Sexualität verfolgt, bestraft und getötet werden. Solange mag ich mich lieber auf tatsächliche Diskriminierung konzentrieren. Unter anderem eben auf Homophobie an Schulen. Ließe sich die weiter eindämmen, so könnte sich ja vielleicht auch für eine Nachfolgegeneration diese »Heterophobie« automatisch erledigt haben, würden junge Homosexuelle schönere Erlebnisse mit ihrer Schulzeit verbinden.

Auf dass das Leben der jungen Generation bunter und toleranter wird.

*Ich habe zuerst an verschiedenen Stellen von »Homo- und Transphobie»« geschrieben, letzteren Ausdruck dann jedoch weggelassen. Heranwachsende Männer waren in meiner Jugend fix auch transphob (wie auch eklig sexistisch, manchmal beiläufig offen xenophob etc. etc.), aber die Problematik ist nochmal eine ganz Eigene. Ich hätte es eher schwierig gefunden »Transphobie« einzubringen, dann jedoch nicht näher darauf einzugehen. Und das wäre natürlich einen eigenen Artikel wert.

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