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Viennapride 2018

Der Weg zum Rathaus am Tag der Viennapride ist immer ein etwas komisches Unterfangen. Abgesehen von meiner allerersten Regenbogenparade habe ich immer Wert darauf gelegt, zumindest ein klein bisschen kostümiert zu sein – sei es auch bloß mir eine Regenbogenflagge als Superheldencape umzuhängen. Der Morgen vor der Parade geht also häufig dafür drauf sich mit Freund*innen zu treffen, Outfit herzurichten, Nägel zu lackieren, dazu die „Pre-Parade“-Playlist aufzudrehen und enthusiastisch mitzusingen. Und wenn der Glitzer sich bereits im gesamten Bad verteilt hat, die Regenbögen auf den Wangen fertig aufgemalt sind und die Nägel lackiert – dann wird es Zeit sich auf den Weg zur Parade zu machen. Dabei fühlt man sich manches Mal ein wenig zu behütetet in der eigenen Kleingruppe und gerade wenn man denkt, dass jetzt irgendwie die ganze Welt „Pride“ ist, man die Hashtags durchsucht und hundertfach erste Pridevillage und Paradenfotos findet, steht man plötzlich in einer Bim und wird von allen Seiten angestarrt. Irgendwo hinter einem sagt dann jemand: „Oh, schau mal die da hinten. Ach ja, heute ist ja Parade.“ Schon ist man wieder auf dem Boden der Realität angekommen. Aber nur kurzzeitig, denn das ändert sich zum Glück wieder, sobald man in der U2 sitzt, wo dann wirklich fast alle zur Parade wollen, bereits im Waggon Musik gespielt und Seifenblasen durchs Abteil gepustet werden – wenn endlich wirklich alles „Pride“ ist.



Ein Paradenresümee

Die Parade trifft mich in jedem Jahr etwas unvorbereitet, was den großen Ansturm betrifft. Mittlerweile ist sie zwar als Höhepunkt einer zweiwöchigen Veranstaltungsreihe konzipiert und doch fühlt sich alles, was davor kommt, wie „Ruhe vor dem Sturm“ an. Selbst der Vorabend, an dem eh schon ein recht leiwandes Bühnenprogramm geboten wurde und das Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern dazu gehört, kann mich nicht auf die Menschenmengen vorbereiten, die am Tag der Parade den gesamten Ring für sich einnehmen. Man unterschätzt dann eben doch, wie viele queere Menschen sich in einer Stadt in Wien aufhalten, wie viele heterosexuellen Allies und Partywütige es gibt und wie viele Menschen aus den einzelnen Bundesländern anreisen, um Österreichs größte, queere Party mitzuerleben.

Nach dem Startschuss, ist es für erfahrene Paradenbesucher*innen ziemlich leicht sich zurechtzufinden. Erstmal ist alles wie immer. Man kann ein paar Wagen und Fußgruppen vom Straßenrand beobachten und sich beliebig anschließen, sobald Musik oder Stimmung gefällig sind. Vieles fühlt sich altbekannt an, zum Beispiel die Beliebtheit des Paradewagens der Grünen Andersrum – wobei erwähnt sei; mir kommt es vor, als würde die Gruppe derer, die dort permanent ringsum mitziehen von Jahr zu Jahr größer. Mittlerweile scheint mir die Popmusikparty um diesen Wagen herum gigantisch und in manchen Straßenbiegungen und Engpässen etwas anstrengend.

Genau so, wie es Altbekanntes gibt, gibt es auch Überraschungen. Ich habe nicht ganz durchblickt woher sie kamen, aber die türkisfarbene Gruppe, die Regierung Kurz und die unglaublich dämliche Idee Kickls Polizeipferde für Wien anzuheuern parodiert hat, war schon ziemlich lustig. Ernstere Akzente setzte zum Beispiel die Trans*gruppe, die, in zwei Gruppen eingeteilt, auf die hohe Selbstmordrate von Transmenschen verwies, jedoch auch eine Utopie von Möglichkeiten durch Trans aufzeigte.

Ich habe mich vor der diesjährigen Viennapride nochmal viel mit Kritik auseinandergesetzt: Die Regenbogenparade sei zu unpolitisch, ihre Mottos in jedem Jahr unkonkrete Plattitüden und die gesamte Veranstaltung ein kommerzieller Ausverkauf.

Grundsätzlich halte ich es für richtig und wichtig, dass immer wieder evaluiert wird, wofür die Parade stehen will, oder welche Firmen als Werbepartner fungieren dürfen und sich damit ein Pride-Label einkaufen können. Dennoch ist bereits Sichtbarkeit von Menschen, die vom Heteronormativ abweichen und ihr „Anderssein“ öffentlich feiern ein politisches Statement. Genau so gibt es in jedem Jahr auch konkrete politische Anliegen, die – zugegeben oft nebensächlich, aber immerhin – zur Sprache kommen. Die Frage ob das reicht kann ich gerade nicht beantworten, aber es gibt mir ein gutes Gefühl, dass es die Parade gibt und sie sich so großer Beliebtheit erfreut.

Auf dem Weg nach Hause von der Parade, wird man dann wieder aus der Regenbogen-Blase gerissen. Sobald man in U- oder Straßenbahn sitzt, fühlt man sich auch schnell wieder in der Minderheit, die kritisch beäugt wird.

Während am Tag der Parade #Regenbogenparade ein andauernd trendender Hashtag ist, ist der Tag danach eher ein unschönes Erwachen, eben im Zeichen dessen, dass man die Regenbogen-Blase auch wieder verlassen muss. Der Blick in die sozialen Medien am Sonntag ist Abbild all jener Probleme, die derzeit allgemein gesellschaftlich zum zwischenmenschlichen Umgang miteinander im Internet diskutiert werden: Menschen, die sich in ihren vier Wänden hinter dem Bildschirm in kompletter Unantastbarkeit wähnen und sich über Minderheiten auskotzen. Rechtskonservative Kotzbrocken hatten bereits am Vortag auf Twitter verlautbaren lassen sich unbedingt ein Gewitter herbeizusehnen und in den Kommentaren des diesjährigen Paraden-Videos von Der Standard, fand sich eine Gruppe Reconquista Hassposter zusammen, um geistigen Durchfall, wie „bring dich um scheiss hiv parasit“ unter die Leute zu bringen.

Auf der anderen Seite weiß ein jeder aufgeschlossener Mensch, dass wir gesellschaftlich nicht ansatzweise da sind, wo wir sein sollten, was den Umgang mit Minderheiten betrifft. Veranstaltungen, wie die Regenbogenparade, sollten auch weiterhin einen Beitrag dazu leisten, unmissverständlich klarzumachen: Wir sind hier. Und was die neuen Besucher*innenzahlen der Viennapride betrifft, zeigt sich – wir sind viele und wir werden mehr.

Vielen Dank fürs Lesen meines kleinen Blogs. Ich schreibe hier über Schwules Dating, Sex, Beziehung und Szeneleben. Allen Neuankömmlingen wünsche ich viel Spaß beim durchstöbern. Bei Gefallen freue ich mich über ein Like auf Facebook, oder ein Follow auf Twitter oder Instagram. Eine schöne Woche!

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