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#knowyourstatus

»I have a very bad fear of aids.« – »Have you known someone with aids?« – »It’s more of a ‘Forrest Gump’ based fear. That’s what Robin Penn Wright’s character dies of, so…« Ein Dialog aus einer Fernsehserie, der nicht treffender formuliert sein könnte. So argumentiert Hannah Horvath eine Figur aus der Millenial-Serie GIRLS. Es ist etwas indem sie und ich uns gleichen. Unsere Angst ist abstrakt, durch mediale Repräsentationen entstanden – bei mir vielleicht noch in dem Sinne ausgeprägter, da ich zur sogenannten Risikogruppe »Männer, die mit Männern schlafen« gehöre.

Es fallen mir nicht wirklich viele Dinge ein, die ich so unangenehm empfunden habe, wie die Zeit im Warteraum, bevor ich einen HIV-Test gemacht habe. Höchstens das Gefühl, wenn man eine Woche später wieder im selben Warteraum sitzt und auf das Ergebnis wartet. HIV ist kein Todesurteil. Mittlerweile gibt es Behandlungsmöglichkeiten, sodass die Viruserkrankung in der westlichen Welt eher einer chronische Erkrankung ähnelt. Das Schreckensbild, das sich in unsere Köpfe gebrannt hat (vor allem in die von uns homosexuellen Männern), von einer Seuche, die „uns“ auslöscht, während Politiker*innen, Religionsvertreter und generell heterosexuelle Mitmenschen sich zurücklehnen, einfach zuschauen – das ist heute mit Sicherheit nicht mehr so aktuell wie in den 80er und 90er Jahren. Was aber geblieben ist, ist vor allem ein gesellschaftliches Stigma. Geschlechtskrankheiten sind schon deswegen irgendwie verrucht, weil sie mit Sex in Zusammenhang gebracht werden können. Sehen konnte man das in diesem Jahre wieder in den Kommentarspalten der Zeitungen, als Tom Neuwirth zu einem „Coming Out“ als HIV positiv erpresst wurde und allerlei dumme Menschen moralische Zeigefinger auspackten. So dämlich man dies auch findet; trotzdem bleiben diese Urteile immer im Hinterkopf haften und so empfinde auch ich ein Stück weit Schande, dass ich nun dort saß, im Aids-Hilfe-Haus. Wir sollten als Gesellschaft schon weiter sein, aber das sind wir leider nicht.

Wie kann ich feststellen, ob ich HIV-positiv bin?

Das erste Mal, dass ich der Aids Hilfe Wien einen Besuch abstattete, war ziemlich bald nach meinem aller ersten Sex, bei dem sowohl das Kondom geplatzt war und ich auch Sperma geschluckt hatte. Ich ging damals mit meiner Mitbewohnerin zusammen hin und fühlte mich gestärkt darin, dass wir wenigstens gemeinsam dort waren. Unwohl war mir trotzdem. Das lag natürlich nicht an den – durch die Bank – freundlichen Mitarbeiter*innen, sondern die Tatsache, dass ich überhaupt hier sein musste empfand ich fast als eine Art Strafe dafür, dass ich sexuell unvorsichtig gewesen sei. Ich wollte nie wieder in diese Lage kommen.

Mein zweiter Besuch war anders. Ich war nun in einer Beziehung und ging mit einem sehr guten Gefühl ins Aids-Hilfe-Haus. Bevor wir in unserer monogamen Partnerschaft das Kondom weglassen würden, wollten wir uns beide testen lassen. Mir war wichtig, dass dieser von mir geäußerte Wunsch seinerseits nicht als Misstrauen gewertet würde. Er hatte sich vor nicht allzu langer Zeit testen lassen und auch ich hatte seit meinem ersten Test keinen Risikokontakt mehr gehabt. Es ging nicht darum, dass wir einander nicht glaubten, aber es kam uns generell »verantwortungsbewusst« vor mit dem Test Gewissheit zu haben und das Thema abhaken zu können. Bevor man ungeschützten Sex hat, lässt man sich testen – eine einfache Faustregel.

In diesem Jahr war ich zum dritten Mal bei der Aids Hilfe. Nach einem betrunkenen Risikokontakt bekam ich Panik. Ich hatte keine Nummer und keine Kontaktmöglichkeiten zu dem One Night Stand. Zu allem Überfluss bekam ich in der Woche nach unserem Sex Fieber und Nachtschweiß, weiß aber nicht, ob ich nicht sowieso krank geworden wäre und mich meine Angst vor einer HIV Ansteckung nicht zusätzlich labil machten. Im Internet las ich aber auch, dass Symptome – auftretende, wie auch ausbleibende – natürlich sowieso keine Diagnose zulassen. Die bekäme ich nur über einen Test. Ich fühlte mich wieder, wie bei meinem ersten Besuch. Schlimmer noch, ich hatte das Gefühl diesen Fehler bereits gemacht zu haben und daraus nicht gelernt zu haben. Jahre älter und kein Stück reifer? Als ich im Warteraum den Blick umherschweifen ließ, sah ich alle Altersgruppen und Menschen die ausschauten, als könnten sie verschiedener nicht sein. Dann dachte ich mir: Jeder macht Fehler. Das ist in diesem Fall vielleicht insofern zu kurz gegriffen, weil eine Ansteckung nicht zwangsweise mit Risikoverhalten zusammenhängen muss und trotzdem – selbst wenn es so wäre; die Grundaussage bleibt bestehen: Jeder macht Fehler. Es ist nichts wofür man sich vor anderen zu rechtfertigen und es ist nichts, wofür man andere Menschen verurteilen sollte.

Was sich noch schlechter angefühlt hätte, als das Warten beim Abholen des Testergebnisses? Unsicherheit über den Status. Viele Ansteckungen mit dem Virus basieren darauf, dass diejenigen, die ihn weitergeben, nicht um ihren positiven Status wissen. Und so wie man ungern mit dem Virus von jemandem angesteckt werden möchte, der sich HIV negativ glaubt, möchte man auch ungern den Virus selber unwissend weitergeben. Einen Damit verglichen ist das kurze piksen der Blutabnahme nur eine sehr temporäre Unannehmlichkeit. Und um die Frage (nochmal) nachdrücklich zu klären: Meinen HIV Status erfahre ich nicht über Symptome, oder ausbleibende Symptome, ich erfahre ihn über einen Test – z.B. bei der Aids-Hilfe. #knowyourstatus

Vielen Dank fürs Lesen meiner Kolumne. Wenn du schon mal hier bist, schau doch vielleicht in meine Fünf Filmempfehlungen von überwiegend Spielfilmen über HIV/AIDS. Aber auch abseits davon lade ich zum stöbern ein. Ein schönes Wochenende.

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