Gelungene Texte, monotone Stimme. »Bloom« von Troye Sivan

Troye Sivans zweites Studioalbum Bloom ist zum Abschluss des Sommers erschienen und versüßt uns fortan graue Herbsttage. Mittlerweile ist diese Veröffentlichung schon a Randerl her; es gab also reichlich Zeit sich eine Meinung zu bilden und Fazit zu ziehen, was der Hoffnungsträger für schwule Popmusik Neues zu bieten hat.

Mit »Seventeen« steigt Sivan sehr gelungen in seine schwule Popstar-Rolle ein, wenn er erste sexuelle Erfahrungen aus der Zeit als Siebzehnhähriger besingt, die er mit einem reiferen Mann gemacht hat. In den Lyrics wird es dementsprechend auch gleich ein bisschen jucier. Im Pre-Chorus singt Sivan zum Beispiel:„And he said age is just a number, just like any other / We can do whatever, do whatever you want / Boy becomes a man now / Can’t tell a man to slow down / He’ll just do whatever, do whatever he wants“. In Interviews hat Troye beteuert, es gehe ihm nicht darum diese Art sexuellen Erwachens zu verherrlichen, sondern viel mehr darum eigene persönliche Erlebnisse ehrlich und aufrichtig musikalisch zu verarbeiten. Ob der Authentizität wird wohl jeder Schwule überzeugt sein, ist „age is just a number“ quasi der Spruch, den jeder von uns schon gehört hat, wenn es um Liebschaften mit großem Altersunterschied geht.

Von »Star Search Australia« zum internationalen schwulen Popstar

Musikalisch schließt der Opener an die bisherige Karriere von Troye Sivan an. In Johannesburg geboren und in Australien aufgewachsen, begann Sivan recht früh damit Berühmtheit zu erlangen, unter anderem in diversen Fernsehcastingshows. Ab 2012 war er vor allem auf YouTube anzutreffen und erregte mit einem Coming Out Video Aufmerksamkeit. Spätestens mit seinem Debütalbum »Blue Neighbourhood« schlug er dann merklich größere Wellen. Es entstanden drei Musikvideos, die als Trilogie eine Geschichte von schwulem Coming Of Age, Freundschaft, Liebe, aber auch Homophobie und Gewalt erzählen. Musikalisch war das Ganze in recht seichtem Pop mit EDM Einflüssen angesiedelt. In der Presse überschlug man sich trotzdem und stellte unter anderem fest, Sivan beantworte die Fragen die man sich als schwuler Heranwachsender gestellt habe. Es schien als habe man sich auf ihn als Vorbild für queere Jugendliche geeinigt.

Zurückgekehrt ist Troye Sivan im Jänner mit der Lead Single »My My My!«– einem unglaublich guten Popsong. Das begleitende Musikvideo in Schwarz-Weiß mit Strobo-Ästhetik und 80er Jahre Vibes, tat sein Übriges, um Sivan als Hoffnungsträger der Popmusik zu platzieren, in der es bekanntermaßen an erfolgreichen Vertreter*innen fehlt, seit „urban“ die Streamingcharts ohne Ende dominiert. Gegenüber dem »Blue Neighbourhood« Debütalbum war Sivan nun deutlich selbstbewusster, queerer und experimentierfreudiger.

Es muss Liebe sein: I BottomBloom Just For You

Es ist vor allem die erste Hälfte des Albums, die besonders stark ist. Dem tanzbaren (dance like nobody is watching) »My My My!« folgt die wunderbare Ballade »The Good Side«. Dem akustischen Klang der Strophen werden hier melodische, elektronische Sounds im Intro, Refrain und Outro entgegensetzt. Dadurch entsteht zeitweise eine Klangwelt, der eine gewisse Sogwirkung (vor allem in der letzten Minute des Songs) nicht abzusprechen ist. Ausgefeilte Pop-Perfektion präsentiert Sivan außerdem mit dem Titelsong »Bloom«. Dass es sich hierbei um den Albumhöhepunkt handelt, hat nicht zuletzt mit den Lyrics zu tun. Textlich wagt Sivan hier am meisten, denn »Bloom« ist eine Bottom-hymne, in der  “passiver” Analsex mit Textzeilen, wie “Take a trip into my garden / I’ve got so much to show ya/ The fountains and the waters / Are begging just to know ya / And its true baby / I’ve been saving this for you” besungen wird. 100% Camp, 100% Sex. (Bonusvideo: In einem Video, das ältere schwule Herren auf Troye Sivan reagieren lässt, interpretiert einer der Männer Sivan wolle sagen: „People can be flowers, too“ – so herzig!)

http://https://www.youtube.com/watch?v=41PTANtZFW0

Monoton, aber dafür radiotauglich

Der derweil erfolgreichste Song des Albums »Dance To This« ist eine Zusammenarbeit mit Superstar Ariana Grande, was wohl auch die YouTube-Views, die in die vielen Millionen gehen, erklären dürfte. Zum chilligen Beat passt Sivans Stimme hier recht gut, was »Dance To This« womöglich auch zum radiotauglichsten Song des Albums macht – er ist gelungene Hintergrundmusik und das ist absolut nicht böse gemeint. Spätestens jedoch, wenn man bei »What Heavenly Way To Die« angelangt ist, kommt man leider nicht umhin zu beklagen, dass Troye Sivans Appeal absolut nicht in seiner Stimme liegt. Die doch teils stark monotone Stimmführung lässt sich als größte Schwäche für das Hörerlebnis erkennen: Zeitweise tröpfelt hier alles recht seicht vor sich hin. Zum Glück nimmt das Album gegen Ende jedoch noch mal Fahrt auf. »Lucky Strike« ist ein weiteres Highlight von Bloom. Hier besingt Sivan einen Liebhaber, den er am Geschmack von Zigaretten erkennt. Besonders einfallsreich erscheint das nur dann, wenn man den Love, Simon Soundtrack nicht kennt. Dafür hat der Song einen sehr angenehmen Flow und einen poppig-einprägsamen Refrain. Die Powerballade »Animal« schließt das Album und scheint wie gemacht für unser aller Herbstplaylists, wenn wir in unseren kleinen Wohnungen über unsere Sommerliebschaften ins Grübeln kommen.

Der Tatsache, dass bereits die Hälfte der Songs von Bloom vorab veröffentlicht worden sind, ist geschuldet, dass sich das Album ein wenig kurz anfühlt. Wer das Hörerlebnis verbessern möchte, der*m sei empfohlen eine eigene Deluxe Edition zu erstellen, der man Troye Sivans Zusammenarbeit »There For You« mit Martin Garrix, aber vor allem »Strawberry & Cigarettes« vom Love, Simon Soundtrack anfügt. Ambitionierte Hörer*innen können sich zudem bemühen die Bonustracks »This This«, »Running Shoes« und »Seventeen (Reprise)« in den Tiefen des Internets ausfindig zu machen.

Troye Sivans zweites Album Bloom ist bei Universal Music erschienen.
Anspieltipps: My My My!, The Good Side, Bloom, Lucky Strike.

Trotz offensichtlicher Schwächen gebe ich »Bloom« ♥♥♥♥.
Die genannten Höhepunkte des Albums trösten nicht nur über ein paar etwas fade stimmliche Darbietung hinweg, sie haben oftmals auch Ohrwurmcharakter und hohen Replay-value.

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