AIDS im Film: Notizen

Die Woche vor dem Welt-AIDS-Tag 2018 habe ich damals genutzt Texte zu fünf Filmen zu schreiben, die sich mit HIV und AIDS auseinandersetzen. Nachdem ich vom 7. – 17. Februar Besucher der diesjährigen Berlinale war (die es mir auch ermöglichte einige Filme mit AIDS-Thematik erstmals auf der großen Leinwand zu sehen), sind mir noch einige Nachgedanken gekommen, die mich dazu veranlasst haben die Liste nochmal zusammenzufassen und um einen Nachtrag zu ergänzen.

Warum »AIDS Filme« schauen?

Es gab eine Zeit, in der junge Menschen es unter anderem deswegen schwer hatten sich zu outen, da sie schlichtweg dachten in ihrem »Anderssein« alleine zu sein, weil sie sich nirgends repräsentiert sahen. »Und wenn ein Schwuler in Filmen, oder im Fernsehen vorkam, dann starb er an AIDS«.

Ich denke das genau daraus eine ziemlich ablehnende Haltung gegenüber dem Thema »AIDS im Film« unter Homosexuellen resultierte. Zwar stand relativ schnell fest, dass nicht nur männliche Homosexuelle vom Virus betroffen waren, die Community traf es in der »westlichen« jedoch gerade zu Beginn mit der stärksten Wucht, sodass es verständlich war, dass sich schwule Künstler und Filmemacher mit der Thematik auseinandersetzen wollten. Jedoch drehten konservative Kreise aus der Brandmarkung »Risikogruppe« einen Strick und missbrauchten es als Diskriminierungsargument, gegen das sich homosexuelle Männer zurecht zur Wehr setzen wollten.

Über lange Zeit waren Bücher/Videos/DVDs ziemliche Ladenhüter, wie mir ein befreundeter queerer Buchhändler bestätigt hat. Für Menschen, die die AIDS-Krise durchlebt (und überlebt) hatten, stellte es eine emotionale Belastung dar sich wieder und wieder mit dem Trauma zu konfrontieren. Nachfolgegenerationen versuchten sich wiederum abzugrenzen: »AIDS? Das ist die Krankheit der alten Generation. Mit uns hat das nichts mehr zu tun«.

Dementgegen gibt es verschiedene gute Gründe HIV und AIDS im Kino einen Platz einzuräumen. Zum einen gibt es einen nicht von der Hand zu weisenden Einfluss auf die Lesben- und Schwulenbewegung. Strukturen der Vernetzungen, wie wir noch immer von ihnen profitieren, sind teils auf diese Zeit zurückzuführen. Vielleicht gerade weil es auch um Leben und Tod ging, riss die »AIDS-Krise« viele Menschen aus ihrer Passivität und veranlasste sie, sich zu engagieren. Zudem ist es nicht zuletzt auf den politischen Aktivismus zurückzuführen, dass wir in der AIDS-Forschung mittlerweile recht weit fortgeschritten sind. Weder sollten diejenigen vergessen werden, die dem Virus zum Opfer fielen, noch sollte das Engagement um das eigene Leben, oder das von Freund*innen und Partner*innen zu kämpfen, verschwiegen werden.

Zum anderen; so erfreulich die Fortschritte der letzten Jahre in der AIDS-Forschung und den Therapiemöglichkeiten sind, sollte HIV/AIDS noch immer nicht als gelöstes Problem eingestuft werden. Es gibt noch immer Menschen die sich anstecken, weitreichend große Wissenslücken, gesellschaftliche Stigmatisierung und Länder, in denen Neuansteckungen steigen. Filme über HIV/AIDS können aufklärerisch wirken, zum weiteren Nachforschen zum Thema motivieren und allgemein Diskussionen anstoßen. Bei der Auswahl meiner Filmliste war deshalb auch nicht unerheblich: Wie wurde die Thematik gehandhabt? Wie wurde in einer bestimmten Zeit über den Virus gedacht und haben diese Filme dem Diskurs etwas Eigenes hinzugefügt?

Ohne weitere Umschweife hier also meine Liste von fünf spannenden Filmen über HIV/AIDS:

»Buddies«

Bei der diesjährigen Berlinale zur Wiederaufführung gelangt: Buddies, der allererste Spielfilm, der sich mit der Thematik AIDS- und AIDS-Krise auseinandergesetzt hat. Im Independentfilm von Arthur J. Bressan wird David ein junger schwuler Mann bei seiner Arbeit als Freiwilliger begleitet, der Robert, der an einer AIDS-related-disease erkrankt ist, zugewiesen wird. Die sich daraus entspinnende Freundschaft hilft Robert nicht nur im Sinne einer Sterbebegleitung, sie bringt David auch dazu seine Sicht auf seine eigene Homosexualität und die Rolle die sie für gesellschaftlich und politisch spielt zu reflektieren. Zu meiner vollständigen Rezension von Buddies geht es hier entlang.

»Longtime Companion«

Mit vergleichsweise etwas höherem Budget und größerer Reichweite wurde Ende der 80-er Jahre Longtime Companion gedreht. Der Film arbeitet chronologisch die ersten zehn Jahre der „AIDS-Krise“ filmisch auf und nimmt dabei als Fokuspunkt die schwule Community von Fire Island, die zu den ersten gehörte, die von der Pandemie betroffen waren. Es ist zum einen ein Film über Solidarität, Verzweiflung, aber vor allem um Freundschaft; zum anderen auch ein Sinnbild einer bestimmten Zeit. Mehr zu Longtime Companion gibt es hier nachzulesen.

»Boys on the Side«

In Filmen über HIV/AIDS kommen überwiegend schwule Männer vor. Die Auffassung beim Virus handle es sich um eine „Schwulenkrankheit“ hielt sich hartnäckig, ungeachtet des Fakts, dass medizinisch ziemlich unmittelbar festgestellt wurde, dass weder ausschließlich Homosexuelle, noch ausschließlich Männer dem Risiko ausgesetzt waren sich anzustecken. Boys on the Side ist einer der frühen Filme, in dem auch nicht-homosexuelle als Erkrankte (in dem Fall eine weiße Frau aus der Mittelschicht) vorkommen. Aber auch unabhängig davon ist dieses Roadmovie über die Durchquerung Nordamerikas – starbesetzt mit Mary Louise Parker, Drew Barrymore und Whoopi Goldberg, die in ihren Rollen als zusammengewürfelte Zweckgemeinschaft zu besten Freundinnen werden – absolut sehenswert. Mehr zu Boys on the Side hier.

»Vom Leben Lieben Sterben«

HIV/AIDS ist natürlich auch hierzulande kontrovers diskutiert worden. Einen produktiven Beitrag zum Diskurs lieferten 1993 Walter Hiller und Manfred Neuwirth mit ihrem Film Vom Leben Lieben Sterben, der direkt und indirekt betroffene Menschen zu Wort kommen ließ. In der Liste derer, die vor der Kamera erzählen finden sich „Positive“, Pfleger-, wie Betreuer_innen und Partner/Angehörige. 20 Jahre später drehten Hiller und Neuwirth zudem eine Fortsetzung, in der jene Interviewten erneut zu Wort kommen. Zu meiner Besprechung und dem Link zum legalen, kostenfreien Anschauen von Vom Leben Lieben Sterben geht es hier entlang.

»120 Battements Par Minutes«

Was den heutigen Stand der AIDS-Forschung betrifft, wären wir womöglich nicht da, wo wir jetzt sind, hätten sich nicht Menschen zusammengetan um  Druck auf die Politik auszuüben. Regionale ACT UP (AIDS Coalition To Unleash Power) -Gruppen planten öffentlichkeitswirksame Aktionen, um auf die Ausbreitung des Virus und die Bedürfnisse der Betroffenen aufmerksam zu machen. 120 Battements Par Minutes zeigt den Aktivismus des Pariser Ablegers der ACT UP-Bewegung. Dabei werden nicht nur (ziemlich eindrucksvoll) die langwierigen Besprechungen gezeigt, sondern auch die privaten Belastungsproben der Protagonist*innen. Einen klick hier, um meine vollständige Besprechung zu 120 Battements Par Minutes zu lesen.

Nachgedanken

Fünf Filme sind zwar grundsätzlich nicht wenig, aber als Auflistung zu einem so komplexen, vielschichtigen Thema auch nicht viel. Für eine längere Beschäftigung mit der Thematik kann sie also nur als Anfangspunkt und Grundlage für eine größere Betrachtung sein. Erstens weil es natürlich noch viele weitere großartige Filme gibt, die hier nicht aufgelistet sind, darunter beispielsweise Parting Glances, Zero Patience, The Living End und How to Survive a Plague (um ein paar weitere zu nennen). Zweitens weil fünf Filme auch nur begrenzt die Bandbreite an Themen, die mit dem Virus verbunden sind, filmisch abzudecken und zu repräsentieren vermögen. Jene die sich zum Beispiel fragen: „Interessante Auswahl, aber wieso so weiß?“ haben damit natürlich recht. Einerseits hat das sicherlich mit einem Überhang Geschichten aus der Perspektive weißer Menschen im (Hollywood-/europäischen)Kino zu thematisieren (what else is new) zu tun. Andererseits gebe ich da aber auch offen und ehrlich Wissenslücken zu und freue mich sehr über Anregungen und Empfehlungen. Seit der Erstellung der Liste bin ich zum Glück noch auf weitere spannende Filme gestoßen. 

Beschränkt man sich nicht auf Spielfilme, so findet man mit dem Essayfilm Tongues Untied einen recht frühen Blick auf den Einfluss von AIDS auf die us-amerikanische »black community«.

Die Region südlich der Sahara in Afrika ist bekanntermaßen die am schwersten von HIV & AIDS betroffene Region der Welt. Im afrikanischen Film habe ich definitiv Nachholbedarf, weswegen auch dieser in meiner ursprünglichen Liste nicht auftauchte. Was mir bei der Internetrecherche seither unter anderem untergekommen ist, ist die Serie Shuga (welche in Gänze auf YouTube zu finden ist). Von MTV produziert, fungiert sie vor allem als Aufklärungsmaterial für Jugendliche, prinzipiell ist sie aber ähnlich wie die Jugendserien Skins oder SKAM. Auch hier werden die Figuren und Handlungsorte unregelmäßig gewechselt, so spielte die Serie bereits in Kenya, Nigeria und Südafrika. Handlungsstränge rund um HIV nehmen natürlich viel Raum ein, aber auch die Themen Missbrauch in der Partnerschaft, (tabuisierte) Homosexualität und Abtreibung werden in die Handlung eingebaut. Das Ganze ist in den ersten zwei Staffeln gar mit – mittlerweile Oscarpreisträgerin – Lupita Nyong’o besetzt. Reinschauen lohnt sich.

Ich hoffe diese Liste motiviert ein paar Menschen sich ebenfalls mit Filmen auseinanderzusetzen, die sich AIDS und HIV thematisch widmen. Für Hinweise und Anregungen bin ich immer gerne offen.

2 Comments

  1. sehr interessantes thema! total gut geschrieben und auch schön zusammengefasst. man bekommt wirklich einen guten überblick. weiter so 🙂

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