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»Longtime Companion«, US 1989 [AIDS im Film #2]

Anlässlich des Welt-AIDS-Tags am 1. Dezember, beschäftige ich mich die ganze Woche damit, wie HIV und AIDS in Filmen repräsentiert worden ist. Als zweiten Film bespreche ich »Longtime Companion«, ein Film, der versucht hat den Beginn der AIDS-Krise als Porträt eines gesamten Jahrzehnts, abzubilden.   

Den Blick geweitet

Sich dem Thema HIV und AIDS im Kino anzunähern erschien Filmstudios noch lange Zeit risikoreich. Die Filme, die in den 80er Jahren entstanden, waren – wie auch »Buddies« – häufig unabhängig finanziert und liefen eher auf Filmfestivals, als landesweit in Kinos. Dass sich ein großes Studio an die Thematik wagen würde, dauerte noch bis 1993 an – 13(!) Jahre nach Beginn der »Krise«, als TriStar Pictures »Philadelphia« produzierte, der mit fünf Nominierungen und zwei gewonnen Oscars zu einem Erfolg wurde. Auch in der Politik ließen Reaktionen auf sich warten. Bis Ronald Reagan sich erstmals zur Pandemie äußerte, waren bereits 20.000 Menschen in den USA an AIDS-related-diseases verstorben.

Als es sich das Regie-Drehbuch-Duo Norman René und Craig Lucas zur Aufgabe machte einen Film über das erste Jahrzehnt der »AIDS-Krise« zu drehen, stießen sie dementsprechend auf Widerstand. Die beiden traten als kreatives Team auf. Sie hatten gemeinsam eine handvoll erfolgreicher Theaterstücke geschrieben und produziert, woraufhin sich Filmproduzent*innen an sie wandten. »They all said more or less the same thing: ‚What would you like to write about?‘ I would say, ‚Something about the community out on Fire Island as it was hit by the AIDS epidemic.‘ And they would always respond with something like, ‚Oh wow, great. But after that, what would you like to write?‘ When I suggested somebody make this movie about the first years of the epidemic, I didn’t realize how hard it would be. I just assumed there would be real interest. I was naïve about how rampant and deep the homophobia ran«, so Drehbuchautor Craig Lucas.¹

Mit Lindsay Law fanden sie schlussendlich dann doch eine Filmproduzentin, die sich dem Thema annahm und so entstand in gewisser Weise der erste Film, der die Krise kontextualisierte. Statt dem bewährten Konzept einen AIDS-Patienten und sein Umfeld zu porträtieren, weitete »Longtime Companion« den Blick. Gezeigt wurde eine Vielzahl Protagonist*innen über den Zeitraum mehrerer Jahre.

»Survived by his longtime companion«

Der Film stellt uns die Protagonist*innen vor, indem sie dabei gezeigt werden, wie sie den ersten Zeitungsartikel »Rare Cancer Seen in Forty-One Homosexuals« in der New York Times vom 3. Juli 1981 lesen. Darunter Willy, der zusammen mit einem Freund zu Besuch bei David und Sean auf Fire Island ist. Die Gruppe diskutiert darüber, ob sie sich Sorgen machen müssen, oder es sich hier um Panikmache handelt, um homosexuelle Männer zu verängstigen. Der Freundeskreis (und viele der sozialen Kontakte rundherum) schlittern in Jahrzehnt, dass nur wenige von ihnen überleben. An die Stelle von Strandpartys und Sonntagsbrunches, sind auf einmal Krankenhausbesuche, ermutigende Gespräche und Pflege bis ans Sterbebett getreten.

»Longtime Companion« zeichnet über das gesamte Jahrzehnt – der Film macht immer wieder Sprünge von etwa einem Jahr – das Porträt einer weißen, homosexuellen Mittel- bis Oberschicht, die gerade in den Anfangsjahren besonders hart vom HI-Virus betroffen war. Der Titel des Films leitet sich von einer Phrase ab, die sich zu dieser Zeit immer wieder in Todesanzeigen fand. »You would open the New York Times every single day and see on the obituary page a story about a young person dying at age 32 or 40, and the very last line would always be the same: Survived by his longtime companion«²  ein Euphemismus aus einer Zeit, als Homosexuelle noch nicht als Liebende in Partnerschaften bezeichnet, sondern auf freundschaftliche Beziehungen reduziert wurden.

Alle Protagonist*innen aus »Longtime Companion« und ihre Schicksale zu nennen, würde den Rahmen einer kurzen Filmbesprechung sprengen. Dass der Film es trotzdem schafft nicht wie ein Episodenfilm aus einzelnen Kurzgeschichten zu wirken, ist bereits eine Leistung für sich. Vor allem über die schauspielerischen Leistungen konnte der Film zumindest ein Stück weit Beachtung finden. Herausragend ist Bruce Davison, der in einer der emotionalsten Sterbeszenen, die ich je in einem Film gesehen habe, dermaßen stark spielte, dass er berechtigterweise für einen Oscar nominiert wurde und einen Golden Globe gewann. In seiner Dankesrede äußerte er den Wunsch, dass Menschen beginnen sollten den Kampf gegen AIDS mit so viel Nachdruck zu führen, wie sonst nur den Kampf gegeneinander.

»Longtime Companion« ist tatsächlich auch deutschsprachig sowohl als Video, als auch DVD erschienen, welche jedoch nicht mehr nachproduziert werden. Der Film ist dafür in Gänze auf YouTube zu finden. Es sei an dieser Stelle auch auf eine tolle Nachbesprechung über das emotionale Filmerlebnis von Matt Baume – ebenfalls auf YouTube – verwiesen.

Die ganze Woche über veröffentliche ich Besprechungen von Filmen, die sich mit HIV und AIDS auseinandersetzen. Gestern habe ich bereits über den ersten fiktionalen Spielfilm, der sich der Thematik angenommen hat, geschrieben; morgen geht es mit dem »Boys On The Side« aus 1995 mit Whoopi Goldberg, Drew Barrymore, Mary Louise Parker und Matthew McConaughey weiter. 

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